Samstag, 26. März 2016

Der Hasenpeter und der Bärlimann

 

Der Hasenpeter und der Bärlimann

Eigentlich ist es ein gewöhnlicher Vorfrühlingstag da draußen auf der Wiese, weitab der Stadt. Ein kleiner idyllischer See, ein schöner Wald und eine große Felswand umschließen eins kleines Tal, das sich mitten im Hasenland befindet. Fern von Menschen, doch nahe genug an den vielen Kindern, die sich sicher sehr auf Ostern freuen.

Ganz aufgeregt hoppelt Hasenpeter am späten Nachmittag durch die Wiesen und im nahen Wald umher. „Was ist mit dir?“ ruft krächzend der Eichelhäher Fritz aus dem hohen Baum am Waldrand dem Hasenpeter zu. „S..sss..ss..siehst du es denn nicht, es sch…schn…neit“. Völlig außer Atem und aufgeregt stammelt der Hasenpeter weiter „u...u...und und wenn e..ee...ees schneit, kann ich doch keine Ei…ei…eier färben“. „Aber das dauert doch noch lieber Hasenpeter, Ostern ist ja erst in vier Wochen!“ „Ich mische mich nicht gern in euer Gespräch ein“, schnatterte die Ente Frieda, die gerade aus dem nahen Teich daher watschelt und dabei ihr nasses Gefieder ausschüttelt, „aber so lange geht es nun auch wieder nicht bis an Ostern“.

All die vielen Schneeglöckchen in der Wiese hier am Waldrand nicken bejahend und stumm. Stumm? Nein, natürlich nicht, nur wir Menschen können das wunderbare, feine klingeln dieser Glöckchen nicht hören, aber Zwerge und Elfen können das. Auch all die Kinder, die im März oder im April geboren sind, ja, auch die können es hören. Es ist ein feiner, silberheller Klang, als würden tausend Engel singen. Dazu schweben im Takt feine Schneeflöckchen hernieder. „j...j...jaaa da...daaas ist ees ja...ja eben“, jammerte der Hasenpeter. Ganz aufgeregt hoppelt der Arme im Kreis herum. Er hoppelt so lange, bis er müde ist, dann setzt er sich unter einen schützenden Strauch, lässt seine großen Ohren hängen und blickt traurig dem Schneetreiben zu.

„Huhuhuhuuuu, kleiner Hasenpeter“ ruft das Käuzchen Naseweis von weit oben, „bist du verstummt oder schläfst du?“. „Nein, wie kann ich schlafen, es schneit, bald ist Ostern und der Faulpelz von Bärlimann schläft und schnarcht dabei auch noch, dass Boden und Wände erzittern, dieser Faulpelz, ja ein F...au..au...lpelz...zz ist er“. Immer wenn der Hasenpeter nervös wird oder sich aufregt, beginnt er zu stottern. „Beruhige dich Hasenpeter, was stört dich das denn so, lass ihn doch schlafen“, „Nein“, antwortet Hasenpeter traurig, aber wieder beruhigt, „seine Höhle ist doch meine Malwerkstatt, das habe ich mit ihm so ausgemacht und wenn es jetzt schneit, so meint er doch, es sei immer noch Winter“. „Huhuhuhuuu, ach so, wenn das so ist... hmmm, lass mich mal überlegen“ und nach einer kurzen, laaangen Weile, “also, morgen Früh, wenn es hell wird werden wir uns am Eingang zur Höhle vom Bärlimann treffen. Ich werde heute Abend und in der Nacht alle unsere Freunde zu einer Besprechung einladen, so können wir uns dann beraten wie es weiterergehen soll“. „Danke liebes Käuzchen Naseweis“, antwortete der Hasenpeter erleichtert und versucht nun, es sich unter dem Strauch so gemütlich wie nur möglich zu machen. Er überlegt sich, was alles zu erledigen ist bis Ostern und freut sich auf den nächsten Morgen. Mit diesen Gedanken schläft er denn auch friedlich ein und träumt und träumt und träumt viele Träume von ganz vielen farbigen Ostereiern und von vielen Kindern, die diese bunten Ostereier dann voller Freude in ihrem Garten suchen werden, Hmmmmm, ach, ja, die lieben Kinder werden viel Freude haben...

...Am nächsten Morgen, in aller Frühe, ist ein Jubilieren und Singen zu vernehmen, als ob die Welt ein Vogelparadies wäre. Unser Hasenpeter hoppelt mit zagen Sprüngen aus seinem  Versteck hervor, blinzelte ins helle Morgenlicht, schüttelt ungläubig sein Kopf, so dass seine Ohren ihm um die eigenen Ohren flattern, schließt und öffnet seine großen Knopfaugen noch grösser als sie schon waren. Er staunt und staunt und glaubt immer noch, dass er träumt. Die Sonne geht gerade über dem nahen kleinen See auf. Ente Frieda und ihr Enterich Hannes absolvieren ihren Morgenschwimmen, im Schlepp eine ganze Horde piepsende, kleine Entlein.

Keine Spur von Schnee, sondern Frühlingsduft liegt in der Luft. Bäume blühen auf‘s Schönste, auch Blumen leuchten in allen Farben und Arten und mitten drin der Bärlimann, der sich nicht genug des Duftes erfreuen kann. So schnüffelt er sich durchs grüne Gras und die farbigen Blumen und -platsch- springt er mit einem Satz ins Wasser, um sich ein feines Bad zu genehmigen. Der Hasenpeter versteht die Welt nicht mehr, gestern schneite es doch und der Bärlimann versperrte schnarchend mit seinem dicken Hinterteil den Zugang zur Höhle, in der der Hasenpeter doch seine Ostervorbereitungen hätte machen müssen. Nun hoppelt auch der Hasenpeter durch dieses duftende Blumenmeer hinüber zum See, taucht seinen Kopf ins kalte Wasser, schüttelt diesen, so dass seine Ohren laut aufklatschen. Erschreckt über diesem klatschenden Lärm springen die kleinen Entlein ihren Eltern auf den Rücken und verkriechen sich im dichten Gefieder. Der Bärlimann, dreht seinen Kopf in die Richtung dieser klatschenden Geräusche, brummt etwas von Lärm und Ruhestörung in seinen zotteligen Pelz und steigt langsam und gemächlich aus dem Wasser. So schnüffelt sich nun der Bärlimann weiter  durch die blühende Wiese seiner Höhle zu. Durch die milde, fein duftende Luft brummt und summt es auf‘s Schönste. Schmetterlinge flattern dem Hasenpeter um den Kopf, dass es ihm ganz schwindlig wird und er ohnmächtig nach hinten ins grüne Gras fällt.

„Was ist mit dir Hasenpeter“, hört er wie von Ferne jemand rufen. Er öffnet langsam seine Augen, aber alles was er sieht war Blau. - Wo bin ich – geht‘s im durch seinen schwindeligen Kopf, - ich bin doch nicht etwa im Himmel? - „Huhuhuhuuuu Hasenpeter, wach endlich auf, morgen ist doch Ostern“! „Ist...w...w..waa...aaa...was ist?“, stottert fragend der Hasenpeter. „Ooooooooostern“! ruft Naseweis und schwups, der Hasenpeter steht auf seinen Hinterläufen aufrecht im Gras, schaut in die Runde und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alle seine Freunde und noch viel mehr sind um ihn herum versammelt und lachen, was das Zeugs hält.

„Huhuhuhuuuu, du bist gut Hasenpeter, nun hast du beinah Ostern verschlafen. Du hattest über den Bärlimann gelästert, von wegen Faulpelz und so... hihihihihi... und nun“, fährt das Käuzchen Naseweis fort, „und nun, morgen ist Ostern, hihihihihi und was ist nun mit deinen bunten Ostereiern! hä?“ Doch die letzten Worte hört Hasenpeter nur noch von weitem, so schnell ist er schon lange nicht mehr gehoppelt. Rennen nennt man so was und prompt verpasst er den Eingang zur Bärenhöhle und rennt und rennt. Doch Eichelhäher Fritz ist genauso schnell: „Wohin des Weges, mein kleiner Hasenpeter?“ „Iiii...ii...n die B...bää...ärenhöhle“. „Da bist du doch längst vorbei gerannt mein Lieber, hihihihihohoho“. Der Hasenpeter möchte gern, aber kann nicht mehr bremsen, stolpert und purzelt über Stock und Stein und liegt, eh er sich versieht, mitten in einem Bienenstock. Die Bienen fliegen in alle Himmelsrichtungen auf und davon, so erschrocken haben sie sich. Nur die Königin schaut ein wenig verwundert auf und summt „Zzzzz“ vor sich hin. „E...eee...ent..schu...uldigung M...mm...ajest...ttt…tät“ stottert ganz verlegen der Hasenpeter.
Die Bärenhöhle hat der Hasenpeter aber doch noch erreicht. Erst setzt er sich aber vor der Höhle ins Gras, schließlich muss er sich von diesen Schrecken mit den Bienen erst einmal erholen. All seine Freunde sind natürlich auch schon da und warten gespannt auf das, was nun geschieht, wenn der Hasenpeter in die Bärenhöhle geht.

Nun, kaum dass er mit seinen ersten Hoppelschritten in die Höhle hoppelt, kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Wa…aa…was i...i...ist denn d...d...daa pppp…pass..sss…siert,“? „Huhuhuhuuuu beruhige dich lieber Hasenpeter, wir haben uns     gedacht, wenn du schon deinen verspäteten - Winterschlaf - machst, machen wir für dich die Malarbeiten. Der Bärlimann hatte diese Idee. Als du nämlich nicht wie abgemacht, zur Besprechung gekommen bist, haben wir alle ohne dich die Bärenhöhle besucht. Bärlimann war gerade am sauber machen und hatte vor, sich dann nochmal ein Stündchen hinzulegen. Wir erzählten ihm von dir und deinen Bedenken und Ängsten. „Mmmm, nicht mal richtig ausschlafen darf man“ brummte er ein wenig verärgert, „wird doch wohl noch reichen, wenn wir morgen mit dem Eierfärben beginnen“. Dann verteilte er uns allen eine Aufgabe und schickte uns los. Schließlich mussten Blumen, Blüten und Gräser gesammelt werden und auch die vielen, vielen Eier zum Schmücken und Bemalen. Auch Farben und Pinsel mussten her“… Käuzchen Naseweis macht eine Pause. Ganz ungeduldig und neugierig fragt der Hasenpeter „na und der Bärlimann?“ Ein riesen Gelächter schallt durch die Höhle ...„hihihihi, der legte sich noch ein Stündchen schlafen, der Faulpelz hihihihihihi“...

© Hans-Peter Zürcher

Donnerstag, 6. Dezember 2012


Wie die Sterne in den Himmel kamen

Es gab einmal eine Zeit, da war es auf unserer Erde dunkel, so dunkel, dass man unten und oben nicht voneinander unterscheiden konnte. Alles war einfach nur schwarz und kalt war es, so kalt, dass alles Stein und Bein gefroren war, denn ein eine dicke Eisschicht umhüllte Berg und Tal.  Nichts war zu hören außer dem Heulen des Windes.

So ging es viele, viele Jahre, bis sich  plötzlich ein Rumpeln und Krachen in dieser unendlichen Dunkelheit bemerkbar machte, das immer heftiger wurde. Der Boden begann zu erzittern und zu beben und plötzlich, mit einem lauten Knall, öffnete sich der Selbige. Mit immenser Kraft wurde ein heller, grosser Feuerball in die Höhe geschleudert. Der war so rissen gross, hell und heiss, dass in seiner Nähe alles Eis zu  schmelzen begann und die weite Umgebung in hellem Lichte erschien. Eine große, trostlose Einöde, aus Eis und eben, wo dies geschmolzen, nichts als harter Fels. Die feurige, grosse Kugel flog hinauf in die grosse Dunkelheit  und erhellte, je höher sie flog, die Erde.

Und so gab es nun ein Unten und Oben, ein Hell und ein Dunkel. Licht und Schatten, letztere immer kleiner, desto höher die heiße Kugel flog. Als dann nach langer Zeit das grosse Licht sich nicht mehr weiter bewegte und immer am selben Ort in der Weite des Universums stillstand, begann das viele, grosse Eis zu schmelzen. Es bildeten sich  Bäche und Flüsse, die zu Seen heran wuchsen und zu großen Meeren. Die felsigen, kahlen Bergflanken wurden grün, Blumen und Bäume begannen zu wachsen und die Weite der Berge und Täler erblühte in den schönsten Farben.

Das grosse Licht, das die Erde nun erwärmte und die Blumen erleuchten liess, stand immer am selbigen Punkt still, bewegte sich nicht von der Stelle. So wurde es auf dieser Seite der Erde immer wärmer, aber auf der anderen Seite immer Kälter. Die Wasseroberflächen der Bäche, Flüsse und Seen auf der hellen Seite begann zu glitzern und zu funkeln. Die Abermillionen Glitzerpunkte gross und klein begannen derart hell zu Leuchten, dass selbst das grosse Licht in der Weite des Universums geblendet wurde.  Es wollte diesem Geflunker ausweichen und begann sich langsam abzuwenden. Die Schatten der Berge und Bäume wurden immer länger, je weiter sich das grosse Licht auf die Seite bewegte und plötzlich wurde es immer dunkler. Das glitzern und funkeln auf den Wasseroberflächen wurde, je dunkler es wurde, schwächer. Dafür begannen die Abermillionen Glitzerpunkte, die sich aus den Flüssen, Seen und Meeren erhoben haben,  in der weite des Universums zu funkeln.

Auf der anderen Seite aber, wo es immer dunkel und kalt war, begann das Eis ebenfalls zu schmelzen. Und auch hier entstanden Bäche, Flüsse und Seen und auch hier begannen Abermillionen Glitzerpunke zu funkeln und zu leuchte, so dass das grosse Licht wieder geblendet wurde. So begab sich das grosse Licht wieder auf Wanderschaft und das ganze Spiel begann wieder von vorn.

Als hätte das grosse Licht Freude an diesem Spiel bekommen, begann es sich nun immer aufs Neue auf der entgegen gesetzter Seite wieder am fernen Horizont zu zeigen und als es festgestellt hatte, dass es nicht mehr geblendet wurde, stieg es höher und höher. Die Glitzerpunkte im Universum begannen wieder langsam hinunter auf unsere Erde zu schweben und liessen die  Wasseroberflächen aus Neue erstrahlen, dass es blitze und Funkelte, bis sich das helle Licht geblendet wieder zurück zog. Dieses Spiel begann nun in gleichmäßigem Rhythmus sich zu wiederholen. So entstanden die Tages- und Nachtzeiten auf unserer Erde. Und wenn man bei schönem Wetter die Oberflächen der Seen, Flüsse und Meere betrachtet, kann man erkennen, wie sich die Sterne erneut auf den Weg nach oben in den Himmel bewegen. In der Nacht erfreuen sie mit ihrem glitzern dann erneut unsere Herzen.

© Hans-Peter Zürcher 

Donnerstag, 26. Januar 2012

Pause...


Liebe Freunde,

ich mache eine kleine Blogpause.

Mein neues Buchprojekt "HAIKU+FOTOGRAFIE" soll im Herbst in meinem Eigenverlag erscheinen. Noch ist so einiges zu erledigen.

Neue Fotos, neue Gedichte und neue Haiku sollen ebenfalls entstehen.

Gerne lade ich Euch ein, in meinen Blog zu Stöbern, zu Lesen und all meine Fotos zu betrachten.

Ich möchte mich mich bei Euch allen für die vielen Kommentare, Rezensionen und wertschätzenden Worte bedanken.

Herzliche Grüsse

Euer Hans-Peter

Dear Friends,

I do a little blog break.

My new book project, "HAIKU + PHOTOGRAPHY" will appear in autumn in my own publishing company. Still there's a lot to do.

New photos, new poems and new haiku will also arise.

I am happy to invite you to browse through my blog to read and view all my photos.

I want to thank me for all of you for the many comments, reviews and appreciative words.

Kind regards

Your Hans-Peter

Samstag, 24. Dezember 2011



Frohe Weihnachten

 Ein Augenblick kann unendlich lang sein, wenn man etwas erwartet, das seit Tagen, ja sogar seit Wochen angekündigt wurde. So ein Augenblick war es damals, als wir Kinder am Heiligabend in der  kleinen Stube auf die Ankunft des Christkindes warten mussten. „Es dauert nur noch einen kleinen Augenblick“ meinte unsere Mutter, als Vater in die schöne Stube verschwand. Diese war schon den ganzen Tag als verbotene Zone deklariert worden, streng geheim und abgeschlossen. Alle Jahre wieder dasselbe Ritual, und doch war es für uns immer wieder eine hoch spannende Angelegenheit, die Warterei auf das Christkind...


Um den Ton in diesem video zu hören den Player oben rechts ausschalten.

...Auch an diesem Heiligabend dauerte der kleine Augenblick eine Unendlichkeit. Daran sollten wir Buben eigentlich gewohnt sein, dies wiederholte sich ja alle Jahre auf dieselbe Weise, dieses Augenblickritual. Das Weihnachtsglöcklein klingelte auch alle Jahre auf dieselbe Weise und der Baum sah auch alle Jahre gleich aus. Und trotzdem, es war immer wieder ein großes Ereignis für uns, dieser kleine Augenblick, der uns dem Fest entgegen fiebern ließ und der nie enden wollte.
  
© bei Hans-Peter Zürcher



Ein besinnliches, frohes Weihnachtsfest
wünscht Euch
Herzlichst Hans-Peter Zürcher

Freitag, 7. Oktober 2011


Das kleine Wunder

oder die verzauberte Prinzessin

Da lebte einmal ein junger, ganz unscheinbarer Mann in einem kleinen Haus in einem schmucken Dorf, unweit einer großen Stadt. Er fiel weder seinen Nachbarn, noch anderen Menschen im Dorf auf, war immer nett und zuvorkommend und war so auch sehr beliebt. Eines Tages, es war im Frühjahr und alles grünte und blühte, die Natur war wunderschön, ja schon fast überbordend anzuschauen. Hummeln und Bienen summten von Blüte zu Blüte, gierig nach Nektar suchend. Auch die Vögel zwitscherten und jubilierten, dass es eine Freude war. Eben an solch einem Tag beschloss er, nach einer klaren Vollmondnacht früh morgens, wieder einmal in die nahe Stadt zu reisen, um einen Freund zu besuchen und machte sich alsbald zu Fuß auf den Weg. Über ein großes Feld, einem kleinen, gurgelnden Bächlein entlang wanderte er einem Wald entgegen, hinter dem sich die Stadt befindet, in die er beabsichtigte, zu gehen. Die Luft roch frisch, an der Sonne war es recht mild.

Als er so in Gedanken versunken diesem Bächlein entlang ging, sagte plötzlich jemand mit lieblicher Stimme "he, du", er erschrak, schaute um sich, konnte aber niemand entdecken. “He, du" sagte die Stimme, "hier unten im Bächlein", sagte die Stimme weiter. Unser Freund, so dürfen wir ihn ruhig nennen, denn wir dürfen ihn durch diese Geschichte begleiten. Also, unser Freund blieb stehen und schaute ins Bächlein, konnte aber nichts weiter sehen, als das Wasser, das munter vor sich hin gurgelt und in dem sich der reine, klare Himmel spiegelt. Also kniete er nieder und bückte sich über das Wasser. Sehen konnte er aber nur sein eigenes Gesicht als Spiegelbild im Wasser. - Nun -, dachte er, - ich habe vielleicht nur geträumt -. Doch plötzlich, er betrachtete immer noch sein Spiegelbild, veränderte sich dieses, und er schaute in ein hübsches, ja wunderschönes Gesicht von einer jungen Frau. Er schloss seine Augen, öffnete sie wieder, aber dieses Gesicht schaute ihm immer noch entgegen. "He du, bitte hilf mir, bitte, ich weiß, dass du der einzige und auch richtige Mensch bist, der mir helfen kann. Du hast ein gutes Herz und eine reine Seele. Vor vielen Jahren wurde ich verbannt und in einen Fuchs verwandelt. Nur an solchen Frühlingstagen, bei Vollmond, bin ich für einen kleinen Augenblick befreit, und mein wahres ich darf in diesem Bächlein als mein Spiegelbild für kurze Zeit nur baden". Nun bewegte sich das schöne Gesicht ein wenig seitwärts, und da kam auch sein eigenes Spiegelbild wieder zum Vorschein. Langsam schwamm nun das schöne Gesicht weg, es wurde nun der ganze Körper dieses Wesens ersichtlich und der war eben so wunderschön wie das Gesicht. "Bitte!", sagte die Stimme "bitte, helfe mir". “Wie kann ich dir denn helfen?", wollte unser Freund wissen. "Das ist schön von dir, danke, du wirst es nicht bereuen. Du wirst dann schon das Richtige tun, aber bitte, habe keine Angst, handle wie dir dein Herz befielt und erschrecke nicht, und vor allem, habe keine Angst, bitte!".

Ganz in Gedanken versunkenen kniete er immer noch an diesem Bächlein und war sich immer noch nicht sicher, ob er jetzt geträumt oder sonst irgendwie fantasiert hatte. Er wusch sich das Gesicht mit dem kühlen Wasser, schüttelte seinen Kopf und lief weiter, denn er wollte ja eigentlich zu seinem Freund in die Stadt. Als er nun durch den Wald lief, war ihm, als sehe er weiter vorn einen Fuchs den Weg queren. - Ach -, dachte er, - vielleicht bin ich auch ein wenig verwirrt, dieser außerordentlich schöne Tag, lässt vielleicht nicht nur die Natur, die Vögel, Bienen und Hummeln überborden, sondern auch mich. Er genoss diesen Spaziergang durch den Wald, dann durch die Vorstadt bis hin zum Haus von seinem Freund. Auch hier in den Gärten sah man den Frühling sich üppig ausbreiten. Sein Freund kam ihm entgegen, begrüßte ihn herzlich und so zogen sie ein Stück gemeinsam des Weges.

Nun verbrachten die beiden diesen Tag mit einem feinen Essen, einem Glas guter Wein und einem ausgiebigen Gespräch. Darob vergaß unser Freund die Begebenheit vom Morgen. Als er sich dann gegen Abend von seinem Freund verabschiedet hatte, machte er sich auf den selbigen Wegen wie am Morgen auf den Heimweg zurück in sein Dorf. Es schien, dass dieser Tag sich so verabschieden wollte, wie er begann. Im Wald war ein Singen, Zwitschern und Jubilieren zu hören, dass es sich schon fast wie ein richtiges Konzert anhörte. Auch der Ruf eines Kuckucks war nicht zu überhören. Ein Specht klopfte hämmernd eine Höhle in einen Baumstamm für ein Nest. Aus dem nahen Feld waren Amseln mit ihren Abendliedern zu hören, die damit um die Wette sangen und das Bächlein murmelte auch munter vor sich hin. Ein wunderschöner Abend mit ebensolchem Abendrot zierte den sich dunkelblau verfärbenden Himmel.

Er hatte noch nicht den Rand seines Dorfes erreicht, da verdunkelte sich aber der Himmel fast schlagartig und ohne Vorwarnung. Schwarz, düster, bedrohend zeigt sich Landschaft und es brach ein Sturm los, wie ihn hier im Land noch nie jemand erlebt hatte. Selbst die ältesten Dorfbewohner konnten sich nicht an so etwas erinnern. Äste und andere Gegenstände wurden durch die Luft gewirbelt, Blitz und Donner, Hagel und Regenschauer brachen gleichzeitig über das Land. Wer sich jetzt noch ungeschützt im Freien aufhielt war nicht zu beneiden.

Schon beim ersten Windstoss stürzte unser Freund und blieb dann auch gleich am Boden liegen, und das war auch gut so. Direkt neben ihm stürzte ein Baum mit Krach und Getöse zu Boden. "Bitte ! bitte..........", glaubte er im brausenden und tobenden Lärm dieses Unwetters zu hören. “Bitte ! bitte ....", schon wieder. Ein Blitz nach dem anderen erhellte die Gegend gefolgt von gewaltigen Donnerschlägen. Und da, da sah er plötzlich im hellen Schein, dass ein schlanker, ja fast magerer Fuchs, der ein rotes Halsband um hatte, sich mit der sich daran befindlichen Leine an einer Wildrosenstaude verfangen hatte und nicht los kam. Rundherum schlugen Blitze ein und es krachten Donnerschläge, als dass die Welt untergehen wollte. "Bitte ...!" war nun ganz deutlich zu hören. - Das war ja die Stimme von heute Morgen -, erinnerte sich unser Freund, stand auf, wurde aber gleich wieder von einem nahe einschlagen Blitz, zu Boden geworfen. Er ließ sich aber nicht abschrecken und kämpfte sich so lange gegen die Unbilden der Natur, bis er beim Fuchs war. Ihn loszulösen von diesem dornigen Strauch brauchte etlichen Aufwand. Und dann nur weg, denn der Busch stand mitten unter einer Gruppe von hohen Birken. Er war noch keine zwanzig Meter weg, zuckten wieder Blitze in nächster nähe. Da ließ er sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen, den Fuchs schützend unter sich und seine Hände schützend über seinem Kopf. Da, ein heller, großer Feuerball und gleichzeitig einen riesigen Knall. Die Birken und der Wildrosenbusch standen in Flammen und erhellten die ganze Umgebung. Und so plötzlich wie das Unwetter losbrach, so plötzlich war es auch wieder vorbei. Die Wolken verzogen sich, der helle, noch volle Mond kam zum Vorschein und die Sterne begannen zu funkeln, als ob nichts geschehen wäre.

Wie lange unser Freund so dagelegen war, wusste er nicht mehr. Aber was war denn das? unter ihm lag nicht der Fuchs, sondern das wunderschöne Mädchen, dessen Spiegelbild er heute Morgen im Bächlein erblickte. "Danke, danke mein lieber Freund, du hast mir das Leben gerettet und mich dadurch von dem mir auferlegten Fluch befreit. Ich danke dir ganz herzlich", und sie küsste ihn ganz zärtlich auf die Lippen. Er wusste nicht wie ihm geschah. Ein Glücksgefühl erfasste ihn, er konnte nicht mehr unterscheiden, war dies nun ein Märchen, oder Wirklichkeit, oder gar ein Traum.

Da sie keine Unterkunft hatte, nahm er sie mit zu sich nach Hause. So wohnte sie im kleinen bescheidenen Haus von unserem Freund und freute sich ihrer wieder erlangten Freiheit. Die beiden verliebten sich in einander und so wurden sie ein Paar.

Ein Jahr später, es war im Mai, da heirateten die beiden in der kleinen Kirche im Dorf. Ein großes Fest wurde vorbereitet, denn er war ja sehr beliebt im Dorf. Die wunderliche Geschichte vom verwandelten Füchslein kannte bald jeder und so schlossen alle auch das schöne Mädchen in ihre Herzen. Jeder im Dorf steuerte dann auch eine Kleinigkeit zu diesem großen Anlass bei. Das ganze Dorf wurde mit Fahnen festlich geschmückt und die blühende Natur trug auch das Ihrige dazu bei. Blumenkränze und Girlanden überspannten den Weg vom Haus zur kleinen Kirche. Die Braut hatte ein schlichtes weißes Kleid an, um den Hals das rote Halsband als Schmuck und über die Schulter eine Stola aus Fuchspelz. Sie sah wunderschön aus mit ihrem rotbraunen, lockig langem Haar, in die eine rote Wildrose gesteckt war. Eben so schlicht war der Bräutigam gekleidet. Alles war nun für diese Hochzeit vorbereitet und bereit, die Trauzeugen, die Eltern von unserem Freund und das ganze Dorf. Nur die Eltern der Braut fehlten, denn das Mädchen wusste nichts mehr von früher. All ihre Erinnerungen waren weg und ausgelöscht.

Gerade als eben die Kirchenglocken zu läuten begannen, fuhr eine große rote Kutsche auf dem Dorfplatz vor. Da kam nun plötzlich eine riesige Aufregung in die Hochzeitsgesellschaft, denn da stieg ein Königspaar aus dem schmucken Wagen. Als die Braut erkannte, dass da ihre Mutter und ihr Vater aus der Kutsche stiegen, liefen ihr Tränen über ihre vor Aufregung rosa gefärbten Wangen. Sie rannte auf die beiden zu, umarmte und küsste die Beiden herzlich. Und so wussten nun alle, dass dieses schöne Mädchen eine Prinzessin war. Die Hochzeit konnte nun doch noch mit beiden Familien durchgeführt werden. Ein wunderbares Fest, dauerte bis in die frühen Morgenstunden deuerte.

Das junge Paar lebte nun fortan glücklich und zufrieden in diesem bescheidenen kleinen Haus in diesem schmucken Dorf, halfen wo Not war und Hilfe notwendig und freuten sich des Lebens.

Und wenn wir in diesem Dorf, oder einem anderen, ein hübsches, glückliches und zufriedenes Paar antreffen, ja... ja dann könnte es vielleicht auch das aus unserer Geschichte sein!

© Hans-Peter Zürcher

Montag, 19. September 2011


Geleise 7

Es war einmal in einem schönen, fernen Land, da wohnte einst ein recht hübscher Jüngling. Er war rechtschaffen, war weder arm noch reich, denn er hatte nicht viel außer einem guten Herzen, einem einfachen haus und einem kleinen Garten. Er liebte die Natur über alles, er wusste, dass wenn er zu ihr gut war, würde auch sie zu ihm gut sein. So pflegte und hegte er seinen kleinen Garten, den er sich vor vielen Jahren angelegt hatte, als wäre er ein kleines Heiligtum. Dafür wurde er auch durchs Jahr reichlich belohnt. Blumen aller Gattung und zu jeder Jahreszeit blühten zwischen den großen und kleinen Steinen auf. Hummeln und Bienen wie auch Schmetterlinge, Spinnen und Käfer hatten in demselben ihre Heimat gefunden und liebten die ihnen gebotenen Unterschlupfmöglichkeiten. Seit kurzem hatten in diesem Garten sogar Eidechsen ihr Zuhause eingerichtet. Immer wieder zeichnet er diese Idylle in sein Zeichenbuch. Einzelne Blumen, die Vielfalt der Tiere und all das schöne, was ihn so erfreut.

An schönen, milden Tagen setzte er sich gerne in dieses Kleinod, beobachtete das vielfältige Treiben und ließ sich dann auch gerne mal zum träumen verleiten. Seit langer Zeit hatte er nämlich fast jede Nacht ein und denselben Traum. Ein wunder-schönes, junges Mädchen erschien ihm und lächelte ihn verzaubert und liebreizend an. Sie winkte ihn zu sich her, lachte und wenn er in ihre Nähe kam, wich sie spielend zurückt, lächelte süß und löste sich in ein Nebelchen auf, dass sich langsam in ein Nichts verwandelte.

Inzwischen sind etliche Jahre ins Land gezogen. Aus dem Jüngling wurde ein flotter Mann, sonst aber blieb alles wie es war. Sogar der allabendliche Traum vom schönen Mädchen. Auch sie scheint inzwischen älter geworden zu sein. Noch viel schöner ist sie geworden, eine richtig schöne Frau.

Der Herbst mit all seiner Pracht und seinen Düften war ins Land gezogen, schöne milde Tage mit klaren, kühlen Nächten. Auch an diesem schönen Herbstnachmittag saß er wieder in seinem Garten, um seine geliebte Natur abzuzeichnen, wie er dies schon seit vielen Jahren gemacht hatte. All seine Blumen hielt er mit Bleistift ge-zeichnet in seinem Zeichenbuch fest. Und zwischen den Blumen immer wieder das Bildnis des Mädchens, dass ihm jede Nacht im Traum erschien. Er war so in sein seine Skizzen vertieft, dass er nicht bemerkte, dass jemand hinter ihn getreten wer. Erst als er hinter sich jemand mit zartem Stimmchen sagen hörte: „Du, dieses Mädchen das du gerade gezeichnet hast, das kenne ich“. Erschrocken drehte er sich um, hinter ihm stand ein kleines, mageres Mädchen, nicht älter als vielleicht zehn Jahre, ein hübsches Gesicht mit großen, braunen Augen. „Sag das noch einmal bitte“, sagte der Mann. „Du, dieses Mädchen das du gerade gezeichnet hast, das kenne ich“. „Ja, aber sag einmal, wer bist denn du, wie kommst du eigentlich in meinen Garten?“ Das Mädchen lachte, „Von da“, und zeigte mit ihrem mageren Ärmchen irgendwo hin, nur nicht dahin, wo der Weg zu seinem Haus führte. „Na, geflogen wirst wohl kaum sein“ Er schüttelte seinen Kopf, -dieses Lachen, verflixt, dieses Lachen kommt mir irgendwie bekannt vor-, brummte er vor sich hin, fügte noch einige Striche auf die Zeichnung, hielt das Buch eine Armlänge von sich weg, um sein Werk nochmals zu begutachten, „Genau, so ist es gut, was meinst du dazu“? Er schaute sich um, aber das Mädchen war nirgends mehr zu sehen. „Hm, jetzt fang ich alter Spinnoggel noch an zu fantasieren“ brummte er vor sich hin, erfreute sich seines Gartens und blätterte nachdenklich in seinem Zeichenbuch. Langsam und bedächtig, Blatt um Blatt.

Der Winter kam, der Winter ging und machte dem Frühling platz und der kam dann auch. Mit Pauken und Trompeten zog er ins Land, in die Gärten, Felder und Wälder. Es grünte und blühte aufs Schönste. Vogelgesänge, Düfte, Blüten und Blumen, rund herum, auch im Garten von unserem Freund. Kaum dass die Sonne die Luft auf angenehme Werte erwärmt hatte, saß er wieder mit Zeichenbuch in seinem Kleinod und skizzierte drauflos. Auch sein Traummädchen malte er wieder zwischen all den Blumen und Blütenzweigen. Das kleine Mädchen hatte er völlig vergessen, bis eines Tages hinter ihm jemand sagte: „Du, dieses Mädchen das du gerade gezeichnet hast, das kenne ich“. „Verd...“, er schaute sich um, das Wort stockte auf seiner Zunge, da stand doch dieses Mädchen wieder hinter ihm. Ja, genau das Mädchen mit den großen, braunen Augen wie letzten Herbst. „Nun sag mal“... aber das Mädchen ließ ihn nicht weiter sprechen und fiel ihm ins Wort, „du wirst diese junge Frau bald sehen, denn auch sie hat einen Traum geträumt, genau wie du“. Sie hüpfte ums Gartenhaus herum, trällerte ein lustiges Lied vor sich hin und hielt plötzlich eine Rose in ihrer zierlichen Hand, legte diese unserem Freund auf sein noch offenes Zeichenbuch. – Solche Rosen gibt es doch gar nicht in meinem Garten- ging ihm durch den Kopf, „hm, woher hast du denn diese Ros...“, drehte sich um, „...e, verschwunden, jetzt ist dieses verflixte Mädchen schon wieder weg“.

So vergingen viele weitere Tage, einer schöner als der andere. Der allabendliche Traum, das Mädchen und vor allem die Rose gaben ihm zu denken, denn die Rose war da, wahrhaftig und echt. Nein, nicht aus seinem Garten, auch nicht aus einem Garten in der Umgebung, denn dass hatte er nun genauestens nachgeforscht. Um diese Jahreszeit beginnen die Rosen erst Knospen zu bilden. Was ihm besonders zu denken gab, war, dass diese Rose einen betörenden Duft ausströmen ließ und dass sie noch nach Wochen so frisch und schön war, wie an dem Tag, als das Mädchen sie ihm auf sein Zeichenbuch legte.

Und wieder einige Tage später: „Du, dieses Mädchen das du gerade gezeichnet hast, das kenne ich. Morgen, auf Geleise 7, da wirst du sie antreffen“. Unser Freund schüttelte nur müde seinen Kopf, „Liebes Mädchen, du kommst und gehst ohne mir zu sagen wer du bist, du schenkst mir eine Rose, die nicht verblüht und nun erzählst du mir, dass ich morgen das Mädchen aus meinem Traum sehen werde, auf Gleis 7“. Mit dicken Strichen hatte er das schöne Gesicht seiner Traumfrau aufs Papier gemalt und mit jedem neuen Strich, so schien es ihm, sah sie plastischer aus. „Auf unserem Bahnhof gibt es nur zwei Geleise und nicht sieben, mein liebes Kind“, sagte er, während er um seine Zeichnung malte. „Geleise 7 um siebzehn Minuten nach Eins, ganz sicher“, gab die Kleine zur Antwort. Er schüttelte wieder seinen Kopf, „ ganz sicher, so sicher und echt wie die Rose, die ich dir geschenkt habe“. Das Mädchen fing wieder an zu lachen und dieses Lachen liess ihn wieder aufhorchen, - dieses Lachen, woher ist mir nur dieses Lachen bekannt..., das klingt ja..., ja, genau, das klingt wie das Lachen meiner schönen Traumfrau -, „jetzt sag mir mal mein Kind, wer bist du, woher kommst du, was machst du hier“? Das Lachen verlor sich im Garten, aus weiter Ferne hörte er die Worte rufen: “denk daran, morgen auf Geleise 7.......weiiiiiisssssse Jackeeeee“.

Am anderen Morgen erwachte er ganz benommen, denn er hatte kaum ein Auge zugemacht, die Worte des Mädchens gingen ihm nicht mehr aus seinem Kopf. Da waren diese Träume, diese wundersame Rose, die immer noch in einem Väschen auf dem Fensterbrett stand, wo er sie vor vielen Wochen hingestellt hatte, schön und betörend duftend neben seinem Zeichenbuch, dessen zuletzt gezeichnetes Skizzen-blatt aufgeschlagen waren.

Wie im Traum zog es unseren Freund zum Bahnhöfchen ins Dorf hinunter. Beim Bahnübergang konnte er aber bereits feststellen, dass da nur die beiden Geleise, die schon seit eh und je hier waren, vorhanden sind. Zwei Geleis und nicht sieben. Leichter Nebel umhüllte das Bahnhöfchen, - Komisch, das Wetter ist schön, die Luft ist trocken, wieso denn der Nebel. Ihm kamen wieder die Worte des Mädchen in den Sinn: - Geleise 7 um siebzehn Minuten nach Eins, ganz sicher -. „So, jetzt muss ich wissen, was hier gespielt wird, sonst finde ich keine Ruh. Die Züge fahren hier im Halbstundentakt, um Siebzehn nach Eins findet in diesem Bahnhöfchen rein gar nichts statt. Nichts, dass auch nur annähernd der Einfahrt eines Zuges gleich-kommt“.

Der Bahnhof war wirklich eingehüllt von einem leichten Nebel, nicht dicht, nur ein leichtes Nebelchen. Den Bahnsteig erreichte man durch eine Unterführung, denn die ein- und ausfahrenden Züge wurden ab diesem Bahnsteig bedient. Die Bahnhofuhr zeigte Fünfzehn nach Eins, soeben fährt der Regelzug auf Geleise 1 ab. Also in zwei Minuten..., aber was ist denn das, da wo sonst Geleise 2 angeschrieben ist, steht Geleise 7. Das konnte er ganz deutlich erkennen. Ja, da stand eine 7. „Achtung auf Geleise 7 Zugseinfahrt, Vorsicht am Bahnsteig“. Deutlich ist diese Ansage aus dem Lautsprecher zu hören. Von weitem vernahm unser Freund das rattern eines herannahenden Zuges, ja, da gab es keine Zweifel, da kam ein Eisenbahnzug. Aus dem leichten Nebel erscheinen drei hell leuchtende Scheinwerfer einer Lokomotive, da gab es nochmals keine Zweifel, ein schneller Blick auf die Bahnhofuhr, genau Siebzehn Minuten nach Eins, da gab es zum dritten Mal keine Zweifel. Auf dem Geleise 7 fuhr tatsächlich ein Zug ein und kam mit quietschenden Bremsen zum Stillstand. Und aus dem lichten Nebel erschien ein weisses Etwas, ja, nun erkennt er es deutlich, eine Frau in einer weisser Jacke. Nun wurde ihm bewusst, dass es immer noch Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man sich nicht erklären kann, auch nicht zu erklären braucht. Diese geschehen einfach nur, entstehen, sind da. Früher, Heute und auch in Zukunft. Der Nebel löste sich bis auf einen leichten Hauch von Nichts auf. Da standen sich zwei Menschen gegenüber, die einander noch nie gesehen hatten, wahrhaftig und echt, gingen aufeinander zu, umarmten sich und küssten sich auf das Innigste. - Ja, das ist es, dieses Mädchen, die schöne Frau aus meinen Träumen, die braunen grossen Augen, genau die gleichen grossen braunen Augen wie das kleine Mädchen in meinem Garten-, ging es ihm durch den Kopf. Sie schauten einander an, indem sie sich die Hände hielten, schweigend und tief schauten sie sich in die Augen. „Mein Zug fährt um Zweiundvierzig Minuten nach Eins zurück, viel Zeit bleibt uns nicht, nicht traurig sein, wir sehen uns bald wieder mein Schatz“. Und wieder herzten sich die beiden, Zusammentreffen und Abschied in Einem. – Mein Schatz, hat sie zu mir gesagt, mein Schatz -, eine Träne kullerte ihm über die Wange und verlor sich in der Weite seines Gesichtes. Sie löst sich sanft aus seinen Armen, ging auf den Eisenbahnwagen zu, aus dem sie eben erst ausgestiegen ist. Der Eisenbahnwagen an dem langen Zug, der sie wieder in eine weite, ferne Welt entführte. Sie kehrte aber schnell nochmals zurück, um ihn zu küssen um dann endgültig im Innern dieses Wagen zu entschwinden. Der Nebel wurde wieder dichter. Durch die dunkle Fensterscheibe des Eisenbahnwagens konnte er die schöne Frau nur schemenhaft erkennen. Konnte aber genau sehen, wie sie ihm eine Kusshand nach der anderen zuwarf, die er gerne erwiderte. Er getraute sich kaum einen Blick auf die Bahnhofuhr zu werfen, noch drei Minuten. Kurz entschlossen stieg er in den Eisenbahnwagen ein und während er sich durch den engen Gang zwängte, rief er: „Nur noch einen Kuss mein Schatz, ich liebe dich“. Wie in Trance verliess er den Wagen, kaum ausgestiegen, fuhr der Zug vom Geleise 7 ab und tauchte in den leichten Nebel ein, der sich alsbald auflöste.

Nun stand unser Freund da und wusste nicht, ob er geträumt hatte oder nicht. Der Bahnsteig lag in schönstem Sonnenlicht. Ein Fliederbaum aus einem nahe gelegen Garten verströmte einen betörend feinen Duft. „Achtung auf Geleise 2 Zugseinfahrt, Vorsicht und bitte rasch einsteigen“.

© Hans-Peter Zürcher