Freitag, 7. Oktober 2011


Das kleine Wunder

oder die verzauberte Prinzessin

Da lebte einmal ein junger, ganz unscheinbarer Mann in einem kleinen Haus in einem schmucken Dorf, unweit einer großen Stadt. Er fiel weder seinen Nachbarn, noch anderen Menschen im Dorf auf, war immer nett und zuvorkommend und war so auch sehr beliebt. Eines Tages, es war im Frühjahr und alles grünte und blühte, die Natur war wunderschön, ja schon fast überbordend anzuschauen. Hummeln und Bienen summten von Blüte zu Blüte, gierig nach Nektar suchend. Auch die Vögel zwitscherten und jubilierten, dass es eine Freude war. Eben an solch einem Tag beschloss er, nach einer klaren Vollmondnacht früh morgens, wieder einmal in die nahe Stadt zu reisen, um einen Freund zu besuchen und machte sich alsbald zu Fuß auf den Weg. Über ein großes Feld, einem kleinen, gurgelnden Bächlein entlang wanderte er einem Wald entgegen, hinter dem sich die Stadt befindet, in die er beabsichtigte, zu gehen. Die Luft roch frisch, an der Sonne war es recht mild.

Als er so in Gedanken versunken diesem Bächlein entlang ging, sagte plötzlich jemand mit lieblicher Stimme "he, du", er erschrak, schaute um sich, konnte aber niemand entdecken. “He, du" sagte die Stimme, "hier unten im Bächlein", sagte die Stimme weiter. Unser Freund, so dürfen wir ihn ruhig nennen, denn wir dürfen ihn durch diese Geschichte begleiten. Also, unser Freund blieb stehen und schaute ins Bächlein, konnte aber nichts weiter sehen, als das Wasser, das munter vor sich hin gurgelt und in dem sich der reine, klare Himmel spiegelt. Also kniete er nieder und bückte sich über das Wasser. Sehen konnte er aber nur sein eigenes Gesicht als Spiegelbild im Wasser. - Nun -, dachte er, - ich habe vielleicht nur geträumt -. Doch plötzlich, er betrachtete immer noch sein Spiegelbild, veränderte sich dieses, und er schaute in ein hübsches, ja wunderschönes Gesicht von einer jungen Frau. Er schloss seine Augen, öffnete sie wieder, aber dieses Gesicht schaute ihm immer noch entgegen. "He du, bitte hilf mir, bitte, ich weiß, dass du der einzige und auch richtige Mensch bist, der mir helfen kann. Du hast ein gutes Herz und eine reine Seele. Vor vielen Jahren wurde ich verbannt und in einen Fuchs verwandelt. Nur an solchen Frühlingstagen, bei Vollmond, bin ich für einen kleinen Augenblick befreit, und mein wahres ich darf in diesem Bächlein als mein Spiegelbild für kurze Zeit nur baden". Nun bewegte sich das schöne Gesicht ein wenig seitwärts, und da kam auch sein eigenes Spiegelbild wieder zum Vorschein. Langsam schwamm nun das schöne Gesicht weg, es wurde nun der ganze Körper dieses Wesens ersichtlich und der war eben so wunderschön wie das Gesicht. "Bitte!", sagte die Stimme "bitte, helfe mir". “Wie kann ich dir denn helfen?", wollte unser Freund wissen. "Das ist schön von dir, danke, du wirst es nicht bereuen. Du wirst dann schon das Richtige tun, aber bitte, habe keine Angst, handle wie dir dein Herz befielt und erschrecke nicht, und vor allem, habe keine Angst, bitte!".

Ganz in Gedanken versunkenen kniete er immer noch an diesem Bächlein und war sich immer noch nicht sicher, ob er jetzt geträumt oder sonst irgendwie fantasiert hatte. Er wusch sich das Gesicht mit dem kühlen Wasser, schüttelte seinen Kopf und lief weiter, denn er wollte ja eigentlich zu seinem Freund in die Stadt. Als er nun durch den Wald lief, war ihm, als sehe er weiter vorn einen Fuchs den Weg queren. - Ach -, dachte er, - vielleicht bin ich auch ein wenig verwirrt, dieser außerordentlich schöne Tag, lässt vielleicht nicht nur die Natur, die Vögel, Bienen und Hummeln überborden, sondern auch mich. Er genoss diesen Spaziergang durch den Wald, dann durch die Vorstadt bis hin zum Haus von seinem Freund. Auch hier in den Gärten sah man den Frühling sich üppig ausbreiten. Sein Freund kam ihm entgegen, begrüßte ihn herzlich und so zogen sie ein Stück gemeinsam des Weges.

Nun verbrachten die beiden diesen Tag mit einem feinen Essen, einem Glas guter Wein und einem ausgiebigen Gespräch. Darob vergaß unser Freund die Begebenheit vom Morgen. Als er sich dann gegen Abend von seinem Freund verabschiedet hatte, machte er sich auf den selbigen Wegen wie am Morgen auf den Heimweg zurück in sein Dorf. Es schien, dass dieser Tag sich so verabschieden wollte, wie er begann. Im Wald war ein Singen, Zwitschern und Jubilieren zu hören, dass es sich schon fast wie ein richtiges Konzert anhörte. Auch der Ruf eines Kuckucks war nicht zu überhören. Ein Specht klopfte hämmernd eine Höhle in einen Baumstamm für ein Nest. Aus dem nahen Feld waren Amseln mit ihren Abendliedern zu hören, die damit um die Wette sangen und das Bächlein murmelte auch munter vor sich hin. Ein wunderschöner Abend mit ebensolchem Abendrot zierte den sich dunkelblau verfärbenden Himmel.

Er hatte noch nicht den Rand seines Dorfes erreicht, da verdunkelte sich aber der Himmel fast schlagartig und ohne Vorwarnung. Schwarz, düster, bedrohend zeigt sich Landschaft und es brach ein Sturm los, wie ihn hier im Land noch nie jemand erlebt hatte. Selbst die ältesten Dorfbewohner konnten sich nicht an so etwas erinnern. Äste und andere Gegenstände wurden durch die Luft gewirbelt, Blitz und Donner, Hagel und Regenschauer brachen gleichzeitig über das Land. Wer sich jetzt noch ungeschützt im Freien aufhielt war nicht zu beneiden.

Schon beim ersten Windstoss stürzte unser Freund und blieb dann auch gleich am Boden liegen, und das war auch gut so. Direkt neben ihm stürzte ein Baum mit Krach und Getöse zu Boden. "Bitte ! bitte..........", glaubte er im brausenden und tobenden Lärm dieses Unwetters zu hören. “Bitte ! bitte ....", schon wieder. Ein Blitz nach dem anderen erhellte die Gegend gefolgt von gewaltigen Donnerschlägen. Und da, da sah er plötzlich im hellen Schein, dass ein schlanker, ja fast magerer Fuchs, der ein rotes Halsband um hatte, sich mit der sich daran befindlichen Leine an einer Wildrosenstaude verfangen hatte und nicht los kam. Rundherum schlugen Blitze ein und es krachten Donnerschläge, als dass die Welt untergehen wollte. "Bitte ...!" war nun ganz deutlich zu hören. - Das war ja die Stimme von heute Morgen -, erinnerte sich unser Freund, stand auf, wurde aber gleich wieder von einem nahe einschlagen Blitz, zu Boden geworfen. Er ließ sich aber nicht abschrecken und kämpfte sich so lange gegen die Unbilden der Natur, bis er beim Fuchs war. Ihn loszulösen von diesem dornigen Strauch brauchte etlichen Aufwand. Und dann nur weg, denn der Busch stand mitten unter einer Gruppe von hohen Birken. Er war noch keine zwanzig Meter weg, zuckten wieder Blitze in nächster nähe. Da ließ er sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen, den Fuchs schützend unter sich und seine Hände schützend über seinem Kopf. Da, ein heller, großer Feuerball und gleichzeitig einen riesigen Knall. Die Birken und der Wildrosenbusch standen in Flammen und erhellten die ganze Umgebung. Und so plötzlich wie das Unwetter losbrach, so plötzlich war es auch wieder vorbei. Die Wolken verzogen sich, der helle, noch volle Mond kam zum Vorschein und die Sterne begannen zu funkeln, als ob nichts geschehen wäre.

Wie lange unser Freund so dagelegen war, wusste er nicht mehr. Aber was war denn das? unter ihm lag nicht der Fuchs, sondern das wunderschöne Mädchen, dessen Spiegelbild er heute Morgen im Bächlein erblickte. "Danke, danke mein lieber Freund, du hast mir das Leben gerettet und mich dadurch von dem mir auferlegten Fluch befreit. Ich danke dir ganz herzlich", und sie küsste ihn ganz zärtlich auf die Lippen. Er wusste nicht wie ihm geschah. Ein Glücksgefühl erfasste ihn, er konnte nicht mehr unterscheiden, war dies nun ein Märchen, oder Wirklichkeit, oder gar ein Traum.

Da sie keine Unterkunft hatte, nahm er sie mit zu sich nach Hause. So wohnte sie im kleinen bescheidenen Haus von unserem Freund und freute sich ihrer wieder erlangten Freiheit. Die beiden verliebten sich in einander und so wurden sie ein Paar.

Ein Jahr später, es war im Mai, da heirateten die beiden in der kleinen Kirche im Dorf. Ein großes Fest wurde vorbereitet, denn er war ja sehr beliebt im Dorf. Die wunderliche Geschichte vom verwandelten Füchslein kannte bald jeder und so schlossen alle auch das schöne Mädchen in ihre Herzen. Jeder im Dorf steuerte dann auch eine Kleinigkeit zu diesem großen Anlass bei. Das ganze Dorf wurde mit Fahnen festlich geschmückt und die blühende Natur trug auch das Ihrige dazu bei. Blumenkränze und Girlanden überspannten den Weg vom Haus zur kleinen Kirche. Die Braut hatte ein schlichtes weißes Kleid an, um den Hals das rote Halsband als Schmuck und über die Schulter eine Stola aus Fuchspelz. Sie sah wunderschön aus mit ihrem rotbraunen, lockig langem Haar, in die eine rote Wildrose gesteckt war. Eben so schlicht war der Bräutigam gekleidet. Alles war nun für diese Hochzeit vorbereitet und bereit, die Trauzeugen, die Eltern von unserem Freund und das ganze Dorf. Nur die Eltern der Braut fehlten, denn das Mädchen wusste nichts mehr von früher. All ihre Erinnerungen waren weg und ausgelöscht.

Gerade als eben die Kirchenglocken zu läuten begannen, fuhr eine große rote Kutsche auf dem Dorfplatz vor. Da kam nun plötzlich eine riesige Aufregung in die Hochzeitsgesellschaft, denn da stieg ein Königspaar aus dem schmucken Wagen. Als die Braut erkannte, dass da ihre Mutter und ihr Vater aus der Kutsche stiegen, liefen ihr Tränen über ihre vor Aufregung rosa gefärbten Wangen. Sie rannte auf die beiden zu, umarmte und küsste die Beiden herzlich. Und so wussten nun alle, dass dieses schöne Mädchen eine Prinzessin war. Die Hochzeit konnte nun doch noch mit beiden Familien durchgeführt werden. Ein wunderbares Fest, dauerte bis in die frühen Morgenstunden deuerte.

Das junge Paar lebte nun fortan glücklich und zufrieden in diesem bescheidenen kleinen Haus in diesem schmucken Dorf, halfen wo Not war und Hilfe notwendig und freuten sich des Lebens.

Und wenn wir in diesem Dorf, oder einem anderen, ein hübsches, glückliches und zufriedenes Paar antreffen, ja... ja dann könnte es vielleicht auch das aus unserer Geschichte sein!

© Hans-Peter Zürcher